Schneider-Kreuznach Rollei SL-Xenon 50mm f1.8

Liebe Altglasfreunde,


ich möchte euch heute eines der meines Wissens nach letzten Kleinbild-Objektive,
die Schneider Kreuznach hergestellt hat, vorstellen.

Es handelt sich um das

Schneider Kreuznach Rollei SL-Xenon 50mm f1.8

für die Rolleiflex Spiegelreflex-Kameras.

Es hat dementsprechend das QBM-Bajonett und wurde von 1972 bis 1976 produziert.
Danach stellte Schneider Kreuznach die Produktion von Kleinbild-Objektiven ein

und baut seitdem nur noch Spezialoptiken -
und das bis heute wohl sehr erfolgreich.

Ein paar Daten zum Objektiv:

Blende: von f1.8 bis f16, 5 Blendenlamellen
Gewicht: 234g
Mindestfokusdistanz: 45cm
Optisches Design: 6 Linsen in 4 Gruppen
Anschluss:  Rollei QBM

Es ist mechanisch und haptisch sehr schön,
gut gefertigt und läuft nach den fast 50 Jahren noch problemlos.
Blendenring und Fokussierung sind "blind" gut zu finden -
haptisch ist alles im grünen Bereich.

Hier ein paar Bilder des Objektives:

Adaptiert an die Sony Alpha 7RIII habe ich es auf dem Weg

Objektiv ---- Rollei QBM auf Canon EOS-Adapter ----- Canon EOS auf Sony E-Mount Helicoid.

 

Und so sieht das Objektiv fertig adaptiert auf die Sony aus:

Das Xenon gehört zu meinen absoluten Lieblings-50mm-Objektiven.

Seit ich es habe, "schleicht" es sich irgendwie immer wieder an meine Kamera.

Apropos, Kameras für den Test waren die Sony Alpha 7III und 7RIII, die Bilder sind in Lightroom angepasst.

Mit ein Grund dafür, dass ich das Objektiv gerne verwende, ist seine "Ausgewogenheit". Es kann einfach ganz vieles richtig gut.

 

Dazu gehört, dass es eine angenehme Schärfe-Charakteristik aufweist.

Um euch das zu demonstrieren, habe ich eine Blendenreihe auf weite Distanz für euch aufgenommen.

Der Fokus lag auf der vorderen Häuserreihe  - somit ist die Schärfeebene sowohl in der Mitte als auch in der rechten unteren Bildecke gleich.

 

Die Blendenreihe zeigt die Werte f1.8 - f2.8 - f4 - f5.6 - f8  - f11

 

Zuerst die Überblicksbilder:

Direkt in den Übersichtsbildern ist die Vignettierung zu sehen.

Bei f1.8 sind die Ecken sehr deutlich abgedunkelt.

Bei f2.8 und f4 verbessert sich die Vignette schon jeweils.

Ab f5.6 ist keine Vignettierung mehr im Bild zu sehen.

 

Aus diesen Bildern habe ich zur genauen Schärfebeurteilung Vergrößerungen aus der Bildmitte (vom von mir anfokussierten Punkt, dem Haus in der Bildmitte) sowie der rechten unteren Ecke erstellt.

 

Zuerst die Bildmitte in der gleichen Blenden-Reihenfolge wie bei den Gesamtbildern:

Die Bildmitte ist ab Offenblende f1.8 schon sehr ordentlich scharf, allerdings von einem deutlichen Glow aufgrund der sphärischen Aberration überlagert und die Kontraste sind noch schwach.

 

Bei f2.8  gibt es eine sichtbaren Schärfe-Steigerung auf gut bis sehr gutes Niveau und die sphärische Aberration verschwindet.

Die Kontraste sind auch etwas besser, aber noch nicht auf dem Maximum.

 

Bei f4 gibt es einen ganz leichten Schärfenzuwachs und vor allem eine deutliche Kontrastverbesserung. Wir haben hier ein sehr gutes Niveau erreicht.

 

Bei f5.6 und f8 bleibt es auf diesem Level, bei f11 schlägt die Beugung zu und die Schärfe gibt wieder nach.

 

Aber sehen wir uns auch noch die äußerste Bildecke an:

Erwartungsgemäß starten wir bei f1.8 auf schwachem Niveau. Die Vignette dunkelt das Bild deutlich ab, und die sphärische Aberration überlagert den vorhandenen "Hauch" von Schärfe noch zusätzlich.

Auch die Kontraste sind schwach.

 

Bei f2.8 steigert sich die Grundschärfe zu "man kann etwas erkennen" - aber der Glow macht auch hier neben den zwar etwas verbesserten, aber immer noch schwachen Kontrasten eine gute Trennung unmöglich.

 

Bei f4 gibt es einen ersten leichten Sprung, die sphärische Aberration verschwindet teilweise und die Kontraste verbessern sich ebenfalls.

 

Bei f5.6 sind wir auf einem "Okay"-Level angekommen.

 

Bei f8 kann man dann endlich von einer guten bis sehr guten Eckschärfe reden. Auch die Kontraste sind ordentlich.

 

Bei f11 legen die äußersten Bildbereiche noch minimal zu und die Ecke ist auch auf sehr gutem Niveau angekommen.

Das Xenon zeigt eine Schärfecharakteristik wie viele ältere 50mm-Objektive.

In der Mitte ab Offenblende gut nutzbar, 2 Stufen abgeblendet ist die Maximalschärfe erreicht.

Für scharfe Ecken muss man es auf f8 abblenden, dann ist es über das ganze Bild sehr scharf.

Je nachdem wie wichtig die alleräußersten Ecken sind, ist f11 auch ein gut nutzbarer Wert.

Am liebsten nutze ich das Xenon jedoch im Nahbereich.

Hier zeigt es ab Offenblende eine sehr gute Schärfe (komischerweise ist die sphärische Aberration im Nahbereich kaum ein Thema!) und ein sehr charakteristisches Rendering.

 

Wenn der Abstand vom Motiv zum Hintergrund etwas größer ist, malt das Xenon diesen butterweich:

Je nach Abstand und Beschaffenheit des Hintergrundes gibt es auch gerne einen Swirl und ausgeprägte Katzenaugen zu den Rändern:

Auf etwas größere Distanzen wird das Rendering des Objektives dann wilder und unharmonischer.

Vor allem kleinteilige Objekte wie Laub und ähnliches werden dann sehr nervös aufgelöst.

Besonders überzeugend ist das Xenon im extremen Nahbereich bei der Verwendung von Zwischenringen (bzw. wie bei mir dem Helicoid-Adapter).

Man kann wirklich extreme Vergrößerungen erreichen, und etwas abgeblendet auf z.B. f4 ist die Schärfe sehr gut - leider macht sich dann sofort die Blendenform aufgrund der nur 5 Blendenlamellen negativ bemerkbar.

Bei solchen extremen "Makros" ist es bei Offenblende noch nicht so scharf - aber die Aufnahmen haben trotzdem Charme:

Ein weiteres Kriterium für meine Art der Fotografie ist das Gegenlicht-Verhalten.

Hier müssen wir immer im Hinterkopf behalten, dass wir von einer Konstruktion sprechen,

die mittlerweile 50 Jahre "auf dem Buckel" hat, und die Leistung auch in den Zeitkontext einordnen.

 

Generell verliert das Xenon im Gegenlicht an Kontrastleistung, und wenn die Sonne wie hier direkt am Bildrand steht, werden auch Flares sichtbar, jedoch in erfreulich geringem Ausmaß:

Wenn man Blendensterne gegen die Sonne provozieren will, gelingt das auch, und sie sind erfreulich definiert mit ihren 10 Strahlen. Die resultierenden Flares sind relativ dezent, aber definitiv gut sichtbar vorhanden.

Wie bei jedem älteren Objektiv gilt auch hier: Man darf es nicht übertreiben...

Insgesamt schlägt sich das Xenon in dieser Disziplin recht wacker, aber natürlich ist es meilenweit von einem modernen Objektiv entfernt was die Leistungsfähigkeit angeht...

Gering abgeblendet macht es auch bei Landschaftsaufnahmen eine gute Figur, hier bei f2.8:

Zum besseren zeigen habe ich ein paar "Blendenpaare", also Aufnahmen vom gleichen Motiv bei unterschiedlichen Blendenwerten angefertigt.

 

Paar 1: f1.8 und f8

Paar 2: f1.8 und f4

Paar 3: f1.8 und f4

Abgeblendet erweist es sich als wie erwartet sehr leistungsstark in dieser Disziplin.

 

Aber auch die Offenblende-Aufnahmen haben auf weitere Distanz ihren ganz eigenen Charme:

Besonders gerne aber setze ich das Xenon für Portraits ein.

Die gute Schärfe bei Offenblende und das tolle Rendering gefallen mir sehr und machen es zu einem meiner Lieblings-50mm-Objektive in diesem Bereich:

Erstaunlich gut korrigiert ist das Xenon auf Farbfehler, chromatische Aberrationen finden sich sehr selten. Wenn, dann kann man gelegentlich etwas Bokeh-Fringing finden - aber es bleibt sehr dezent:

Auch hier bei dieser kleinen "Oldtimer trifft auf Youngtimer"-Serie ist an den Chrom-und Metallteilen so gut wie nichts zu finden:

Wie man merkt, mag ich das Xenon einfach...:

Energiewende ;-)

Das Schneider-Kreuznach Rollei SL-Xenon 50mm f1.8 ist ein würdiger Schlusspunkt der Kleinbild-Objektivfertigung beim Traditionsunternehmen Schneider. Schade, dass man danach nur noch sündhaft teure Spezialoptiken auf höchstem Niveau fertigte und bis heute fertigt.

 

Denn das Xenon war in bereits in den 1970er-Jahren ein tolles Objektiv und ist es bis heute.

 

Es bietet eine gute zentrale Schärfe ab Offenblende, bei f8/f11 ist es scharf bis in die Ecken.

Gut ist die Korrektur auf Farbfehler, und im Zeitkontext gesehen bietet es eine ordentliche Leistung im Gegenlicht.

Bei Offenblende gibt es eine sichtbare Vignettierung, abgeblendet auf f5.6 verschwindet diese komplett.

Erstaunlich gut ist die Schärfeleistung auf kurze Distanzen, abgeblendet sogar bis in den Makro-Bereich (beim Einsatz von Zwischenringen).

Die größten Pluspunkte sammelt das Objektiv bei mir aber für das Hintergrundverhalten. Dies ist immer eine sehr subjektive Geschichte, aber ich mag das Bokeh des Xenon einfach wahnsinnig gerne.

 

 

Wie immer freue ich mich auf eure Anmerkungen und Kommentare - ihr dürft sie mir gerne nach den abschließenden Bildern schreiben!

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Matthäus (Mittwoch, 04 Oktober 2023 20:14)

    Hallo und besten Dank für die Vorstellung.
    Wie beurteilst Du das Schneider im Vergleich zum Planar 50mm f1.8 Rollei QBM? Ich meine, das Schneider war ja das günstigere/ spätere Standardobjektiv...

  • #2

    Wilfried (Donnerstag, 09 November 2023 09:45)

    :) die gleiche Frage habe ich mir beim Lesen auch gestellt. Ist es vergleichbar, besser oder anders als das Planar?
    Den Vergleich Planar vs. Pancolar fand ich super!