Das Carl Zeiss Super-Dynarex 200mm f4 war das (außer dem extrem seltenen Telomar 400mm f5) längste verfügbare Teleobjektiv zur Carl Zeiss Icarex. Im Gegensatz zu den anderen Objektiven des Systemes gab es dieses Objektiv ausschließlich mit dem Icarex-BM-Anschluß, nicht in M42.
Gebaut wurde es von 1968-1972, es war eine Entwicklung von Voigtländer (die damals zu Zeiss gehörten) und die gleiche Rechnung wurde auch für die Voigtländer Bessamatic-Serie als Voigtländer Super-Dynarex 200mm f4 verwendet. Im Gegensatz zu diesem Objektiv besitzt es aber eine viel kürzere Naheinstellgrenze, weil die Icarex eben keine Zentralverschlußkamera wie die Bessamatic ist.
Dies macht eine Adaption an eine Digitalkamera direkt viel interessanter, denn das Voigtländer-Objektiv hatte eine in heutiger Zeit unglaubliche Nahgrenze von 8,5m! Beim hier vorgestellten Zeiss-Objektiv beträgt diese "nur" 3m, lässt sich aber durch geschickte Adaption deutlich verkürzen. Hierzu später in meinem Bericht mehr.
Ein paar technische Daten:
Länge: 13,15 cm
Gewicht: 687g
Blende: von f4 bis f22, stufenlos verstellbar, 5 Blendenlamellen
Filterdurchmesser: 77mm
Naheinstellgrenze: 3m
Optisches System: 5 Linsen in 4 Gruppen
Gegenlichtblende: integriert, ausziehbar
Die komplette Objektivserie zur Zeiss Icarex gehört in meinen Augen mit zu den schönsten Objektiven, die jemals gebaut wurden. Der aus Aluminium gefräste Blendenring und die "Belederung" (die aber aus Kunststoff ist) sowie der solide Metallkorpus vermitteln höchste Fertigungsqualität. Beim 200mm ist natürlich die große Frontlinse beeindruckend.
Hier einige Bilder des schönen Stückes:
Kamera bei diesem Test war die Sony Alpha 7III.
Adaptiert habe ich das Objektiv auf folgendem Weg:
Adapter Icarex BM auf Canon EF, dann ein Canon EF auf Sony E-Mount-Helicoid-Adapter,
der eine zusätzliche Fokussierung in den Nahbereich ermöglicht.
So kann ich die 3m Naheinstellgrenze auf einen praxisgerechten Wert von unter 1,5m bringen.
Die Bildschärfe des Objektives ist eine zwiespältige Geschichte.
Auf nahe Distanzen ist diese im Zentrum schon ab Offenblende gut und steigert sich auch nach durch Abblenden noch etwas. In den äußersten Bildecken hat es Schwächen, hier kann man erst ab f11 von einer guten Leistung sprechen.
Im Nahbereich ist es also eine wirklich altersgemäß gute Schärfeleistung - um dies zu demonstrieren,
habe ich hier 4 Bilder in voller Auflösung bei f4, f5.6, f8 und f11. Bezugspunkte für meine Bewertung sind die Kugel in der linken oberen Ecke und in der 2. Kugelreihe von links die untere Kugel, auf die ich fokussiert habe.
Leider ist die Schärfeleistung auf weite Distanz nicht auf gleichem Niveau.
Bei weiter entfernten Objekten ist die Auflösung sowohl bei Offenblende f4 als auch abgeblendet auf f5.6 nur bedingt zufriedenstellend, erst bei f8 und f11 sieht man eine leichte Verbesserung.
Zur Demonstration hier 4 Bilder bei f4, f5.6, f8 und f11 auf die Kirchturmuhr fokussiert.
Hier sieht man schön, dass sowohl das Bild bei f4 als auch bei f5.6 noch deutlich von sphärischer Abberation überlagert sind. bei f8 und f11 ist diese deutlich gemildert und auch die Kontraste erreichen ein deutlich besseres Niveau.
Auffällig ist auch die Vignettierung - bei f4 deutlich sichtbar, reduziert sie sich bei jedem weiteren Abblenden.
Manch ein Leser wird sich nun fragen, warum benutzt man denn ein "Fern-(Tele-)objektiv",
das in der Ferne nicht optimal abbildet?
Erstens sind die Schärfeschwächen bei normalen Betrachtungsgrößen eigentlich nicht wahrzunehmen, erst in den Vergrößerungen kommen sie zum Tragen.
Und zweitens ist bei normalen Aufnahmedistanzen die Schärfe sehr gut nutzbar,
und das Objektiv glänzt mit einigen anderen Vorzügen.
Hierzu gehört vor allem das Bokeh, also die Qualität, mit der unscharfe Hintergründe dargestellt werden. Hierfür möchte ich euch an dieser Stelle einige Beispiele präsentieren.
Für einige dieser Bilder habe ich die "native Naheinstellgrenze" durch den Helicoid-Adapter erweitert.
Genau wie das Hintergrundbokeh ist auch das Vordergrundbokeh,
also die Art, wie unscharfe Bereiche VOR der Schärfeebene dargestellt werden, bei diesem Objektiv sehr schön.
Bei einem Teleobjektiv mit 200mm Brennweite ist dieses Verhalten viel wichtiger als bei kürzeren Brennweiten, da hier oft das Motiv "weiter weg" gesucht wird, und so ist halt eher "mehr Vordergrund" im Bild.
Auch hierfür einige Beispielbilder:
Wie vermutet gibt es bei einer über 50 Jahre alten Objektivrechnung (die man für die damalige Zeit durchaus als lichtstark bezeichnen kann),
Farbfehler in Form von chromatischen Abberationen vor und hinter der Schärfeebene zu finden.
Hier 3 Bilder in voller Auflösung zum reinzoomen, anhand derer man das altersgerechte Ausmaß gut abschätzen kann.
Meine Einschätzung:
Das Super-Dynarex ist ein Objektiv, mit dem ich sehr gerne fotografiere,
obwohl es keine überragende Schärfeleistung hat - es ist für den Alltag aber einfach "scharf genug".
Dafür entlohnt es mit einem tollen Bildrendering, es hat einfach das schönste "klassische" Bokeh meiner Auswahl an 200mm f4-Objektiven.
Vignettierung und Farbfehler sind altersgerecht, dafür nimmt man das Objektiv wegen seiner tollen Haptik gerne in die Hand.
Zum Abrunden meiner Vorstellung hier noch einige Bilder...
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