Das Carl Zeiss Dynarex ist das Portraitobjektiv zur Carl Zeiss Icarex.
Es beruht auf der Rechnung von Voigtländer (Voigtländer gehörte damals zu Zeiss) für die Bessamatic, trotzdem wurde es für die Icarex modifiziert.
Die ursprüngliche Voigtländer-Version hatte 5 Linsen in 4 Gruppen (Linsenschnitt hier: http://www.der-klinterklater.de/dynarex.html ),
die Carl Zeiss-Version für die Icarex hat 5 Linsen in nur noch 3 Gruppen (Linsenschnitt hier: http://allphotolenses.com/lenses/item/c_4759.html).
So wie es aussieht, hat man die vordere einzeln stehende Gruppe nun zu einem Kittglied zusammengefasst.
Die Voigtländer Bessamatic war eine Zentralverschlußkamera. Aufgrund der technischen Besonderheiten hatte das ursprüngliche Voigtländer-Objektiv eine sehr lange Naheinstellgrenze.
Diese konnte bei der hier vorgestellten Zeiss-Version deutlich verbessert werden.
Hier ein paar technische Daten:
Länge: 42,1mm
Gewicht: 267g
Blende: von f3.4 bis f16, stufenlos, 5 Blendenlamellen
Nahgrenze: 1m
Optisches System: 5 Linsen in 3 Gruppen
Bauzeit: 1966-1972
Optisch und haptisch ist das Dynarex wie alle Objektive zur Icarex wirklich sehr schön.
Komplett aus Metall gefertigt, mit sehr schönen (und griffigen) gefrästen Aluminium-Ringen für Blende und Fokussierung.
Weitere Bilder des Objektives (die letzten beiden an der passenden Kamera, der Icarex 35 CS):
Die Bilder meines Reviews sind mit der Sony Alpha 7III entstanden und in Lightroom angepasst.
Adaptiert habe ich das Objektiv auf folgendem Weg:
Adapter Icarex BM auf Canon EF, dann ein Canon EF auf Sony E-Mount-Helicoid-Adapter,
der eine zusätzliche Fokussierung in den Nahbereich ermöglicht.
So kann ich die 1m Naheinstellgrenze auf einen besseren Wert von ca. 50cm bringen.
Starten möchte ich mit der Schärfeleistung auf große Distanz gegen unendlich.
Hierzu habe ich eine Blendenreihe mit den Blendenwerten f3.4, f4, f5.6 und f8 erstellt.
Hier zur Übersicht das Gesamtbild bei f5.6:
Aus diesem Bild habe ich 100%-Vergrößerungen vom Kirchturm angefertigt,
wo auch der Fokus lag.
Hier diese 100%-Vergrößerungen in der Reihenfolge f3.4, f4, f5.6, und f8:
Bei f3.4 ist das Bild noch nicht wirklich scharf, vor allem stark überstrahlt aufgrund der sphärischen Abberation.
Bei f4 ist die Überstrahlung deutlich weniger und die Schärfe nimmt auch etwas zu.
Bei f5.6 ist die Schärfe schon sehr gut, auch die Überstrahlung ist passé.
Bei f8 sind Schärfe und Kontrast auf einem sehr guten Niveau.
Man muss dabei im Hinterkopf behalten, dass zur damaligen Zeit Objektive auf bestimmte Aufnahmedistanzen optimiert gerechnet wurden. Und bei einem 90mm-Portraitobjektiv liegt diese wohl eher im Bereich von wenigen Metern (Kopf-/Schulterportrai-Distanz) als bei unendlich.
Mit den folgenden 3 Bildbeispielen möchte ich dies demonstrieren. Sie sind im Abstand eines normalen Schulterportraits aufgenommen mit den Blendenstufen f3.4, f4 und f5.6:
Bei f3.4 ist die Schärfe noch altersgerecht "schmeichlerisch" und wegen der spärischen Abberation und den geringen Kontrasten wirkt das Bild weich.
Bei f4 steigt die Schärfe schon deutlich sichtbar an, auch die sphärische Aberration wird etwas gemindert. Dabei bleiben die Kontraste noch schwach. f4 wäre also der Blendenwert für Portraits, wenn man hohe Grundschärfe mit einer Kontrastweichheit kombiniert haben möchte.
Für hohe Detailschärfe und gute Kontraste wählt man Blende f5.6, auch die sphärische Abberation ist nun kein Thema mehr.
Dies ist eine meiner Meinung nach sehr praxisgerechte Auslegung der Bildschärfe für ein Portraitobjektiv.
Ein ganz wichtiges Kriterium für ein Portraitobjektiv ist natürlich die Qualität der Hintergrunddarstellung, also das Bokeh.
Und hier ist das Dynarex wirklich hervorragend. Es zeichnet trotz seiner geringen Offenblende von f3.4 wunderschöne Hintergründe. Hier einige Beispiele dafür:
Trotz der vorhandenen Schwächen bei der Schärfeleistung auf weitere Distanzen bei Offenblende ermöglicht das Dynarex tolle Landschaftsaufnahmen.
Man muss halt abblenden, wenn man Schärfe über das ganze Bild braucht.
Was mir an solchen alten Objektiven immer sehr gut gefällt, ist die gute Durchzeichnung der Tiefen,
auch aufgrund der im Vergleich zu modernen Objektiven schwächeren Kontraste.
Natürlich muss man mit einem alten Objektiv im Gegenlicht besonders aufpassen.
Solange die Sonne nicht direkt im Sichtfeld ist, bekommt man überraschend wenige Probleme mit Kontrastverlust und Flares, hier 3 Bilder gegen die verdeckte tiefstehende Sonne:
Ist die Sonne jedoch im Sichtfeld, bekommt man viele Flares, Kontrastverlust und Blendenreflexe, was Bilder ruinieren kann.
Man kann dieses Verhalten jedoch auch zur kreativen Gestaltung nutzen.
Erstaunlich wacker schlägt es sich bei künstlichen Lichtquellen in der Dunkelheit,
hier gibt es keinen Grund zur Klage.
Als nächstes habe ich einige Bildpaare, jeweils bei Blende f3.4 und f5.6 angefertigt,
die gute Schärfe-und Bokehvergleiche ermöglichen.
Links jeweils f3.4, rechts jeweils f5.6:
Die Farbfehler sind altersgerecht vorhanden, sowohl chromatische Aberrationen vor und hinter der Schärfeebene als auch Bokeh-Fringing sind wahrnehmbar in kontrastreichen Situationen, jedoch nicht extrem.
Meine Einschätzung:
Ein in seiner Grunddisziplin Portraits sehr schön nutzbares Objektiv. Bei f3.4 noch schmeichlerisch weich mit geringen Kontrasten, ab f4 schon scharf und ab f5.6 ist die Schärfe klasse.
Es überzeugt durch sein wunderschön weiches Bokeh, ein Objektiv zum "Malen".
Als Allround-/Landschaftsobjektiv ist es sehr gut nutzbar und überzeugt mit schönen Farben und gut durchgezeichneten Tiefen.
Die Farbfehler sind vorhanden, das Ausmaß allerdings nicht dramatisch.
Die Vignettierung ist bei f3.4 und f4 deutlich wahrnehmbar, ab f5.6 zu vernachlässigen.
Ein sehr schönes, wertiges und haptisch tolles Altglas, das mit seinen Stärken auch heute noch zu überzeugen weiss. Seine Schwächen muss man kennen und umschiffen.
Zur Abrundung noch einige Beispielbilder:
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