Das Carl Zeiss Jena Prakticar 50mm f1.4 ist das ab 1978 produzierte lichtstarke Normalobjektiv zur Praktica B-Reihe.
Vorstellen möchte ich die Version 1 dieses Objektives (1. Rechnung mit thoriumhaltigen Gläsern),
die bis 1983 produziert wurde und danach aus Kostengründen von der Version 2 dieses Objektives ersetzt wurde.
Wer sich eingehend mit der Entwicklungsgeschichte des Objektives auseinandersetzen möchte, dem sei die tolle Seite www.zeissikonveb.de ans Herz gelegt.
Die Informationen zum Prakticar 50mm f1.4 findet ihr auf dieser Seite hier.
Das eindeutige Unterscheidungsmerkmal ist die Beschriftung der Objektive:
bei Version 1 noch seitlich am Tubus, bei Version 2 wie man es gewohnt ist auf dem Frontring.
In den folgenden Bildern ist immer links die Version 1 gezeigt, rechts die Version 2:
Einige technische Daten der Version 1:
Länge: 43mm (bei unendlich-Stellung)
Gewicht: 290g
Filterdurchmesser: 52mm
Optisches System: 7 Linsen in 6 Gruppen
Blende: von f1.4 bis f16, 6 Blendenlamellen
Naheinstellgrenze: 36cm
Hier einige Bilder des Objektives:
Das Objektiv ist nicht innenfokussierend.
Am kürzesten ist es bei unendlich-Stellung (linkes Bild),
beim Fokussieren in den Nahbereich wird es deutlich länger (rechtes Bild):
Adaptiert an die Testkamera (die Sony Alpha 7RIII) per Praktika B auf Sony E-Mount-Adapter ergibt sich eine sowohl optisch als auch haptisch stimmige Kombination.
Gut zu erreichende Bedienelemente, nicht frontlastig - ein gut in der Hand liegendes Ensemble.
Eine weitere Adaptionsmöglichkeit, die ich auch öfter genutzt habe, besteht darin, einen dünnen Praktica B auf Canon EOS-Adapterring zu nutzen.
Dies hat den Vorteil, dass von Canon EOS auf Sony E-Mount mit einem Helicoid-Adapter gearbeitet werden kann,
der eine zusätzliche Nahbereichsfokussiereung ermöglicht (der Helicoid-Adapter ist wie ein variabler Zwischenring, mit dem aber auch unendlich möglich ist).
Zur detaillierten Analyse der Bildschärfe habe ich vom Stativ eine Blendenreihe auf weite Distanz angefertigt, bei der sowohl das anfokussierte Bildzentrum als auch die Bildecke in einer Schärfeebene liegen.
Blendenwerte der Reihe sind: f1.4 - f2 - f2.8 - f4 - f5.6 - f8 - f11
In den Übersichtsbildern sieht man sofort die Vignette bei Offenblende f1.4 und bei f2.
Schon bei f2.8 ist diese deutlich gemildert und ab f4 fast nicht mehr wahrnehmbar.
Zur genauen Schärfeanalyse habe ich Vergrößerungen vom Fokuspunkt in der Bildmitte sowie der rechten oberen Ecke angefertigt.
Hier die Vergrößerungen aus dem Zentrum, wieder in der Reihenfolge
f1.4 - f2 - f2.8 - f4 - f5.6 - f8 - f11:
Schon bei Offenblende f1.4 ist die Schärfe in der Mitte sehr ordentlich - allerdings noch stark vom Glow der spärischen Aberration überlagert und kontrastschwach.
Bei f2 steigern sich Schärfe und Kontraste deutlich auf bereits sehr gutes Niveau, und der Glow ist bereits sehr deutlich gemildert.
Von f2.8 bis f8 ist die Schärfe- und Kontrastleistung in der Bildmitte hervorragend,
bei f11 minimal schwächer aufgrund der Beugung.
Es folgen die Vergrößerungen aus der Bildecke, wieder in der gleichen Reihenfolge
f1.4 - f2 - f2.8 - f4 - f5.6 - f8 - f11
In der äußersten Bildecke sieht das erwartungsgemäß schon etwas anders aus.
Bei f1.4 sind zwar bereits scharfe Details erkennbar - jedoch total überlagert von einem starken Glow und der starken Vignette. Auch laterale chromatische Aberrationen sind zu erkennen.
Bei f2 steigern sich hierzu hauptsächlich die Kontraste und die Vignette mindert sich.
Erst bei f2.8 lichtet sich der Schleier der sphärischen Aberration und auch die Eckabdunkelung ist nicht mehr so extrem.
Bei f4 sind wir in der Bildecke bereits im guten Bereich angekommen,
bei f5.6 ist die Ecke sehr gut (z.B. die Dachziegel sind sauber aufgelöst).
Trotzdem gibt es bei f8 und f11 noch einmal eine kleine Steigerung, diese wird z.B. am Dach des Schuppens sichtbar.
Insgesamt eine gute, altersgerechte Leistung. Bei Offenblende noch etwas "verträumt", ist die Bildmitte ab f2 sehr scharf, und ab f5.6 ist das Prakticar über die komplette Diagonale bis in die Bildecke hervorragend.
Besonders gerne benutze ich das Prakticar 50mm f1.4 für Portraits.
Bereits auf Halbkörperdistanz ist es ab Offenblende scharf genug,
und sein markantes Rendering macht es unverkennbar mit einer eigenen "Signatur".
Bei Portraits im Gegenlicht ist es sehr empfindlich, das muss man wissen und die Flares in die Komposition einbeziehen - aber auch dann erhält man "besondere" Fotos.
Aus diesem Foto bei Offenblende f1.4 habe ich noch eine Vergrößerung vom Fokuspunkt für euch -
in meinen Augen ist das Prakticar "scharf genug"
mit vielen Details und einer angenehmen Weichheit - der sphärischen Aberration sei Dank.
In meinen Augen ist das Prakticar 50mm f1.4 ein sehr schönes Objektiv für Personenaufnahmen.
Für mich ist es bereits bei Offenblende scharf genug, ab f2 ist es sehr scharf.
Leider hat man auch bei geringer Abblendung auf z.B. f2 direkt "Stopschilder" bei Hintergrundhighlights aufgrund der Blendenform (siehe z.B. das 3. Bild).
Bewusst einsetzen muss man das Objektiv im Gegenlicht - man hat es sofort mit starken Flares zu tun,
die man kaum vermeiden kann (und dann in die Komposition einbeziehen muss).
Zur Beurteilung des Bokehs habe ich eine Blendenreihe an meinem beliebten Testmotiv ,
dem Metallzaun im Durchgang, für euch erstellt.
Scharfgestellt habe ich auf die obere Schraube am Pfosten auf der rechten Seite.
Ihr seht die Blendenstufen f1.4 - f2 - f2.8 - f4 und f5.6:
Ich empfinde das Bokeh bei allen Blendenstufen als weich und unaufdringlich in diesem Szenario,
auch die Schärfe-Unschärfe-Übergänge wissen zu gefallen.
Bei f1.4 ist es in der unteren linken Ecke noch etwas nervös, bei f2 ist es auch dort schon deutlich ruhiger.
f2 wäre für mich "die Blende der Wahl" für weiche Hintergründe - nur dürfen dann keine Highlights vorhanden sein wegen der dann entstehenden Sechsecke.
Hier noch ein weiteres, häufiger gezeigtes Testmotiv:
Auf mittlere Fokusdistanzen hat das Bokeh einen hohen "Wiedererkennungswert".
Es ist nicht sehr weich, sondern strukturiert - vor allem in den Rand-und Eckbereichen.
Die Tendenz zum Swirl ist leicht vorhanden, aber deutlich weniger stark als bei anderen lichtstarken 50mm-Objektiven.
Highlight-Bubbles ergeben sich leicht - sie haben aber nur schwache Begrenzungslinien und sind deshalb nur selten bestimmend.
Generell gilt, je sonniger und/oder mehr Reflexe im Hintergrund, desto nervöser das Bokeh.
Da das Bokeh ja immer Geschmackssache ist, zeige ich euch hier viele Beispiele aus den unterschiedlichsten Szenarien, damit ihr euch selbst ein Bild machen könnt, ob es euch gefällt:
Hier eine kleine 3er-Blendenreihe auf kürzere Distanz -
ich empfinde das Bokeh als sehr harmonisch bei allen 3 Blendenstufen (f1.4 - f2 - f2.8):
Ein Schwachpunkt der Prakticar 50mm f1.4 ist das Unschärfeverhalten VOR der Schärfeebene,
vor allem in den Ecken sieht das bei "passenden" Motiven nicht sehr schön aus -
spätestens bei f2.8 ist dieses Problem aber nicht mehr sichtbar.
Es lohnt sich vor allem ein Blick auf das Schilf in der linken unteren Ecke.
Wieder bei f1.4 - f2 - f2.8:
Die folgenden Bilder sollen das Verhalten des Objektives auf kurze Fokusdistanzen für euch beleuchten.
Das linke Bild ist an der Naheinstellgrenze des Objektivs entstanden, das rechte Bild mit zusätzlichem Auszug des Helicoid-Adapters (eine vergleichbare Wirkung kann man mit Zwischenringen erreichen).
Während das Bild an der Naheinstellgrenze bei Offenblende noch "gerade so" als scharf durchgeht,
ist das rechte Bild einfach weich und glowy.
Im Gegensatz zu anderen Marken-f1.4-Objektiven ist das Prakticar im Nahbereich einfach deutlich weniger scharf und wird ein Opfer der dann überhand nehmenden sphärischen Aberration.
Bei den nächsten Beispielen habe ich links jeweils bei Offenblende, bei den rechten Bildern mit f2 fotografiert.
Man sieht direkt eine deutliche Schärfesteigerung. Leider hat man aber auch sofort die Sechsecke im Hintergrund.
Und TROTZ aller Schärfeeinschränkungen kann man bei f1.4 im Nahbereich mit dem Prakticar tolle Bilder bekommen, die eine eigene Signatur aufweisen.
Glowy und creamy - fast aquarellhaft:
In diesem Sommer hat mich ein Prakticar-Set mit in die Toskana begleitet.
Und im wunderschönen Lucca kam fast ausschließlich das Prakticar 50mm f1.4 für die "etwas anderen" Urlaubsfotos zum Einsatz.
In meinen Augen ein wunderschönes Rendering.
Zugegeben, neutral ist es nicht gerade.
Aber das ist ja für mich ein Grund, alte Objektive zu benutzen - man soll durchaus auch ihre eigene Handschrift erkennen können!
Es gibt eine geringe, zum Glück uniform tonnenförmige Verzeichnung.
Das ist unproblematisch, und im Zweifelsfall verlustfrei korrigierbar in der Bildbearbeitung.
Bereits in der Schärfereihe habe ich auf die leichten lateralen chromatischen Aberrationen,
die bei Offenblende vor allem in den Randbereichen auftauchen, hingewiesen.
Diese können aber per 1-Klick-Lösung in der Bildbearbeitung problemlos entfernt werden.
Die longitudinalen chromatischen Aberrationen sind schon eher von Bedeutung und an Kontrastkanten bei Offenblende sichtbar. Zum Glück sind sie bereits bei Abblendung auf f2 nicht mehr zu sehen.
Folgende Bilder zeigen euch das Ausmaß (f1.4, daraus eine Vergrößerung und f2):
Am auffälligsten ist grünes Bokehfringing bei Offenblende, das ist keine Seltenheit bei diesem Objektiv.
Beim letzten Besuch in der Werkstatt habe ich in der dunklen Halle diesen sich im Wiederaufbau befindlichen VW Käfer gefunden. Das Prakticar ist ein tolles Objektiv für die Available-Light-Fotografie.
Auch bei Nacht ist das Prakticar aufgrund seiner Lichtstärke "in seinem Element".
Aufpassen muss man mit starken Lichtquellen, da gibt es durchaus Probleme mit Reflexen.
Die einzige große Schwachstelle des Objektives ist das Gegenlichtverhalten.
Ein großes Problem stellen die blanken, unbehandelten Blendenlamellen das Objektives dar, denn sie sorgen dafür, dass es zu starken Reflektionen zwischen Blende und Sensor kommt.
Man hat deshalb bei abgeblendeten Bildern gegen die Sonne eigentlich immer große lila-/magentafarbene Blobs im Bild.
Vermeiden kann man diese gar nicht, nur die Stärke durch umkomponieren etwas mildern:
Dies ist durchaus eine Einschränkung in der Nutzbarkeit.
Auf der anderen Seite stellte das bei meinem riesigen Fundus an Bildern mit dem Prakticar nur bei einer Handvoll überhaupt ein Problem dar.
Bei Offenblende kann es im schlimmsten Fall zu folgenden Flares kommen:
Da ist also eine gewisse Vorsicht geboten, wie ich es ja auch schon bei den Portraits angesprochen habe.
Das Prakticar ist in der Praxis einfach ein tolles Objektiv - abgeblendet sehr scharf und bei Offenblende mit einem charaktervollen Rendering.
Hier noch 2 Beispielbilder - links bei f1.4, rechts bei f5.6:
Das Carl Zeiss Jena Prakticar 50mm f1.4 (Version 1) ist ein sehr gutes, lichtstarkes Nomalobjektiv.
Die Schärfeleistung ist bei Offenblende vor allem im Nahbereich etwas schwächer als bei vergleichbaren anderen Markenobjektiven (z.B. Canon FD 50mm f1.4 oder Olympus OM Zuiko 50mm f1.4).
Bereits ab Portraitdistanz ist dies aber kein Thema mehr.
Bei der Blendenreihe auf weite Distanz sieht man, dass es in der Bildmitte schon bei f1.4 sehr ordentlich ist, und ab f2.8 hervorragend. Die Bildecken brauchen f5.6, um über jeden Zweifel erhaben zu sein.
Die Verzeichnung ist kein Problem, und auch Farbfehler spielen keine große Rolle.
Schade ist, dass die Blendenkonstruktion gleich 2 Probleme schafft:
Die nur 6 Blendenlamellen sorgen bereits bei geringer Abblendung für Stopschilder.
Und dass als Material für die Blende blankes Metall verwendet wurde, sorgt heute bei der Verwendung an digitalen Kameras für starke interne Reflektionen.
Trotzdem ist das Prakticar eines meiner liebsten 50mm-Objektive, und dafür ist sein interessantes Rendering mit dem "besonderen" Hintergrundverhalten verantwortlich.
Auf angenehme Weise etwas strukturierter als bei anderen Objektiven, ohne extreme Bubble- oder Swirlneigung. Einfach schön...
Zum Abschluss wie immer noch eine Bildergalerie - und darunter im Kommentarbereich freue ich mich auf eure Anmerkungen und Beobachtungen.
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