Porst WW-Makro X-M 24mm f3.5

Das Fujica-X-System fand in Deutschland im Gegensatz zum Rest der Welt in den 1980er-Jahren einige Verbreitung. Dies lag weniger an den Original Fuji-Produkten, sondern vor allem an der Tatsache, dass der größte deutsche Fotohändler, Photo Porst,  Kameras und Objektive umgelabelt unter seinem Namen vertrieb.

So gibt es einige Kameras und Objektive im System, viele von Fuji selbst produziert,

aber auch viele Objektive, die für die Handelsmarke Porst von anderen Herstellern produziert wurden.

Zu letzteren gehört das

 

Porst WW-Makro X-M 24mm f3.5

das ich euch hier vorstelle.

Produziert wurde dieses Objektiv vom japanischen Hersteller Ozone.

 

Einige technische Daten zum Objektiv:

 

Blende: von f3.5 bis f22, in ganzen Stufen rastend, 6 Blendenlamellen

Optisches System: Ich konnte keine näheren Informationen finden, der Buchstabe H auf dem Frontring deutet auf eine Konstruktion mit 8 Linsen hin

Naheinstellgrenze: 17cm

Makro-Maßstab: bis 1:4 erreichbar

Filterdurchmesser: 52mm

Die Besonderheit des Porst ist die Fähigkeit, bis zum Maßstab 1:4 fokussieren zu können.

Dazu hat es einen extra langen Fokushub, hier seht ihr das Objektiv links bei Einstellung auf unendlich, rechts bei maximalem Auszug:

Adaptiert an die Sony Alpha 7RIII habe ich das Objektiv mit einem von einem Fotokollegen gebauten Helicoid-Adapter. Dieser besteht aus einem abgedrehten Fujica-X auf Sony-Adapter (der den Pin zur Blendenbetätigung hat), einem M42-Helicoid und einem Slim-M42 auf Sony-E-Mount-Adapter. Im nicht ausgedrehten Zustand ist so problemlos unendlich möglich:

Hier seht ihr links den Adapter, rechts das Objektiv:

Adaptiert an die Sony Alpha 7RIII ergibt sich eine sehr ausgewogene Kombination mit guter Gewichtsverteilung und guter Bedienbarkeit.

Die Haptik und Optik des Objektives sind 1980er-Jahre typisch. Bis auf die gummierten Teile ist es komplett aus Metall und Glas gefertigt, der Fokusring dreht auch nach knapp 40 Jahren noch weich und gleichmäßig.

Der Blendenring klickt mit angenehmem Widerstand in seine Rastpositionen.

 

Hier einige Bilder der Kamera-Objektiv-Kombination:

 

Einige einleitende Worte....

Um es direkt und ohne Umschweife vorauszuschicken....

....das Porst ist, als "normales Weitwinkel-Objektiv" eingesetzt, wohl das schlechteste Objektiv in meiner kompletten Sammlung. Und trotzdem nehme ich es häufig mit - denn es zeichnet einfach sehr außergewöhnlich mittels seiner "gesammelten" Bildfehler.

Lest einfach mal weiter, vielleicht versteht ihr dann, was ich meine und warum ich das Objektiv trotzdem mag.....

 

Fangen wir mal mit den Schwachpunkten des Objektives an.

Dazu gehört eindeutig die Schärfeleistung auf große Distanz.

Ich habe vom Stativ eine Schärfereihe für euch aufgenommen, bei der sowohl die anfokussierte Bildmitte als auch die Bildecke in einer Schärfeebene liegen.

 

Wir starten mit den Gesamtbildern in der Reihenfolge

f3.5 - f5.6 - f8 - f11 - f16

Man sieht sofort die extreme Vignettierung bei Offenblende - ich glaube nicht, dass ich ein weiteres Objektiv mit einer solch ausgeprägten Vignette besitze.

Auch bei f5.6 und f8 ist diese noch deutlich sichtbar. Erst bei f11 und f16 werden "erträgliche" Werte erreicht - aber selbst da bleibt ein sichtbarer Rest Vignette erhalten.

 

Als nächstes zeige ich euch Vergrößerungen der Bildmitte. Der Fokus lag auf dem mittig stehenden  Haus in der vorderen Reihe.

 

Auch hier wieder in der Reihenfolge f3.5 - f5.6 - f8 -  f11 - f16

Bei f3.5 ist die Bildmitte noch sehr weich und von einem Schleier überlagert aufgrund der sphärischen Aberration.

Bei f5.6 verschwindet dieser Schleier etwas, aber viel Schärfezuwachs ist noch nicht zu sehen.

Bei f8 macht die Schärfe wieder einen Schritt nach vorne, vor allem die Kontraste steigern sich.

Erst bei f11 (!) ist in der Bildmitte ein gutes Schärfe- und Kontrastniveau erreicht,

bei f16 schlägt die Beugung bereits zu und das Schärfeniveau wird wieder schwächer.

 

Wenn ihr jetzt denkt "unglaublich schwach!", dann bitte die nun folgenden Vergrößerungen aus der rechten oberen Bildecke gar nicht erst ansehen....

Wieder in der gleichen Reihenfolge f3.5 - f5-6 - f8 - f11 - f16

 

Bei f3.5 ist das Porst in der Ecke einfach unglaublich schwach. Unscharf, verschleiert, abgedunkelt aufgrund der Vignette und sichtbare Farbfehler. Die äußerste Bildecke verbleibt auch auf diesem Niveau, selbst abgeblendet.

Bei f5.6 gibt es kaum einen Unterschied, außer der minimal erhöhten Helligkeit (die Vignette verbessert sich).

Bei f8 sind wir bei einem "es ist etwas zu erkennen"-Status angelangt. Die Vignette ist wieder vermindert, und vor allem der Schleier der sphärischen Aberration lüftet sich etwas. Hiermit haben wir das Maximum des Erreichbaren, besser wird es nicht.

Bei f11 und vor allem f16 schlägt die Diffraktion schon zu und die Ergebnisse fallen wieder ab.

 

Meine Einschätzung:

 

Für "normale" Weitwinkel-Fotos ist das Porst eigentlich nicht zu gebrauchen.

Auch abgeblendet darf eigentlich nichts relevantes im äußeren Bildviertel liegen,

denn dort bleibt das Bild einfach unscharf und verwaschen.

Wenigstens die Bildmitte erreicht abgeblendet auf f8/f11 ein ordentliches Niveau.

 

Bildbeispiele auf mittlere und größere Distanzen

Wie bei der Schärfereihe gezeigt, darf man vom Porst nicht viel erwarten,

sobald die Aufnahmedistanz etwas größer ist - bei Offenblende f3.5 schon gar nicht...

Abgeblendet auf f5.6 oder f8 wird es etwas besser, aber auch hier ist die Randschwäche unübersehbar:

So, nun aber genug davon - auf größere Distanzen ist das Porst einfach schwach.

 

Bitte nicht kaufen, wenn ihr es als klassisches Weitwinkel benutzen wollt!

 

Was das Objektiv für mich interessant macht, ist die Möglichkeit, bis direkt vor die Frontlinse zu fokussieren. Mit der objektiveigenen Fokussierung könnt ihr Motive, die etwas mehr als 5cm vor der Frontlinse liegen, scharfstellen.

Mit dem zusätzlichen Helicoid an meinem Adapter kann ich das Motiv sogar mit der Frontlinse berühren, und trotzdem scharfstellen. Hier mal ein kleines "Behind the Scene".

Zuerst seht ihr den Überblick über die Aufnahmesituation:

Und hier das Bild aus genau dieser Aufnahmesituation:

Noch extremer wird es, wenn ich den Helicoid zusätzlich ausdrehe. Hier lag das Objektiv direkt am Blatt an, man sieht auch schön die Abschattung unten links. Da sind schon sehr außergewöhnliche Perspektiven möglich, zumal ja aufgrund des Weitwinkels trotzdem Hintergrund erhalten bleibt!

Hier noch ein weiteres Beispielpaar, einmal mit "normaler" Nahgrenze, einmal unmittelbar vor der Frontlinse fokussiert - übrigens bei Offenblende f3.5. Man kann schon direkt sehen, dass die Schärfe im Nahbereich deutlich besser ist als auf größere Distanzen.

Und auch hier einmal im normalen Aufnahmeabstand links, und auf der rechten Seite direkt vor der Frontlinse:

Schärfe und Bildrendering im Nahbereich

Um euch zu zeigen, dass das Objekitv im Nahbereich sehr ordentlich ist, was die Schärfeleistung angeht, habe ich auch hier eine Schärfereihe für euch angefertigt.

 

Zuerst wieder die Gesamtbilder im Überblick, Reihenfolge ist f3.5 - f5.6 - f8 - f11

Im Nahbereich ist die Vignette zwar ebenfalls sichtbar, aber weit weniger auffällig als auf große Distanz. 

 

Hier habe ich nun 100%-Vergrößerungen (der 42MP-Datei) vom Fokuspunkt für euch,

ebenfalls in der gleichen Reihenfolge f3.5 - f5.6 - f8 - f11

Bereits bei Offenblende f3.5 ist die Schärfe gut, es gibt noch etwas Schleier aufgrund der sphärischen Aberration.

Bereits bei f5.6 ist das Schärfemaximum auf sehr gutem Niveau erreicht. 

Bei f8 und f11 steigert sich nur die Tiefenschärfe.

 

Im Nahbereich ist das Porst WW-Makro ein scharf abbildendes Objektiv!

 

Hierfür noch 2 Beispielbildpaare aus "der Praxis" mit Vergrößerungen.

 

Zuerst bei Offenblende f3.5.

Links das etwas zugeschnittene Gesamtbild, rechts die 100%-Vergrößerung:

Und bei f5.6 gibt es in meinen Augen nichts mehr zu bemängeln - wenn man überlegt, wie klein der Käfer auf den Blütenfäden wirklich ist...

Links wieder das Gesamtbild, rechts die 100%-Vergrößerung:

Nun einige Bilder aus dem Nahbereich bei Offenblende. Hierbei möchte ich euer Augenmerk auf das besondere Rendering des Objektives lenken.

Die Highlight-Bubbles sind auf der einen Seite relativ klar begrenzt, dafür verbleiben sie auf der anderen Seite zum Bildrand hin geöffnet. Dies sorgt für eine sehr eigentümliche Bildanmutung, die manchmal in Richtung eines gemalten Bildes geht.

Auch ohne Hintergrundhighlights ist das Rendering des Porst im Nahbereich sehr markant und "busy" - das muss man schon mögen. Deutliches Outlining ist immer ein Thema, und es verzeichnet sichtbar tonnenförmig im Nahbereich:

Aber alle diese technischen Schwächen machen die Bilder des Porst im Nahbereich zu etwas besonderem. Ich mag die Ergebnisse irgendwie - auch wenn wir weit weg von technischer Perfektion und weichem Rendering sind. 

Als nächstes habe ich eine kleine Reihe mit abnehmendem Aufnahmeabstand erstellt,

die die Entwicklung des Hintergrundrenderings auf immer kürzere Motivdistanz zeigt (alle Bilder bei Offenblende f3.5):

...und zum Vergleich das letzte Bild noch bei f11:

Auch zur Entwicklung eines weit entfernten Hintergrundes habe ich eine Blendenreihe angefertigt.

Der Fokus liegt am oberen Ende der ersten Geländer"stufe", die nächsten Häuser sind ca. 50m entfernt. Blendenwerte sind f3.5 - f5.6 - f8 - f11

Wirklich schön weich ist der Hintergrund bei keiner Blendenstufe -

man hat die Wahl zwischen "nervös mit Bubbles" und "nervös mit Sechsecken"....

Insgesamt ist die sechseckige Blendenform nicht so dominant, weil selbst im Nahbereich die Hintergrundhighlights selten groß genug werden, um die Blendenform störend zur Geltung zu bringen. Hier ein Bildpaar bei f3.5 und f5.6. Bei den Bäumen kann man erahnen das im rechten Bild abgeblendet wurde - störend ist es in meinen Augen nicht.

Sehr interessant ist das Verhalten des Objektives im Gegenlicht.

Abgeblendet auf f16 ergibt sich ein einigermaßen definierter Blendenstern mit 6 Strahlen, die allerdings leider nicht gleichmäßig sind und nach außen ausfasern:

Je nach Verdeckungsgrad und Position der Sonne im Bild gibt es mehr oder weniger deutliche Blobs und Artefakte. Extrem sind diese in normalen Situationen nicht, aber man kann es natürlich auch extra Provozieren. Das habe ich bei folgender Reihe gemacht.

Vom gleichen Standpunkt aus seht ihr Bilder mit verdeckter, teilverdeckter und direkter Sonne im Bild. Während bei verdeckter Sonne alles tadellos ist, gibt es bei teilverdeckter Sonne einen sichtbaren Kontrastverlust und erste Artefakte. Bei unverdeckter Sonne steigert sich dies ins Extreme und es gibt deutliche interne Reflexionen (die sichtbaren Ringe im Bild):

Bei Offenblende ist das Gegenlichtverhalten deutlich schwächer - aber umso interessanter werden die Bildfehler. Hier kann man damit richtig spielen und die sich ergebenden (internen) Reflexionen zur Gestaltung "besonderer" Bilder nutzen. Ich finde, die Flares machen sich in manchen Bildern richtig gut - und ich habe kein weiteres Objektiv, mit dem ich solche Effekte produzieren kann.  

Das kann sich schon sehen lassen, diese coolen Effekte!

 

Natürlich sind auch diese vom Einstrahlwinkel der Sonne abhängig - für die oben gezeigten "Extreme" muss man es provozieren und die Neigung dementsprechend beeinflussen - hier 3 Bilder vom gleichen Standpunkt mit unterschiedlichem Winkel und sich verändernden Reflexen:

Abgeblendet auf f16 sieht das vom gleichen Ort aus folgendermaßen aus:

Um es nochmal klar zu sagen - wir reden ja hier von starken Bildfehlern. In einem solchen Ausmaß sind diese mir bisher noch nicht untergekommen.

Aber es macht irre Spaß, sie kreativ zu nutzen.

In Kombination mit den guten Nahbereichseigenschaften des Objektives können so Bilder entstehen, "die nur mit diesem Objektiv möglich sind". 

Meine Einschätzung:

Dieses Objektiv ist die Glas und Metall gewordene Version von Dr. Jekyll und Mr. Hyde. 

Auf der einen Seite ein auf normale Distanzen in allen Belangen schwaches Weitwinkel-Objektiv.

Auf der anderen Seite ein interessantes Weitwinkel-"Makro"-Objektiv mit guter Schärfe ab Offenblende und einem sehr charakteristischen Rendering (das wilde Bokeh ist hier mit Sicherheit Geschmackssache).

"On Top" kommen die in meinen Augen coolen Flare-Effekte, die das Objektiv ermöglicht - es aber auch sehr speziell machen.

Deshalb noch mal meine "Warnung" vom Beginn des Artikels: Bitte nicht kaufen, wenn man auf der Suche nach einem guten Weitwinkel-Objektiv ist - sondern nur, wenn man eine "Effektmaschine" sucht!

 

Zum Abschluss meiner Vorstellung wie immer einige weitere Bilder - und eure Meinung, Einschätzung oder Fragen könnt ihr mir unter dem Artikel gerne dalassen!

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Kommentare: 1
  • #1

    Holger Hoffmann (Mittwoch, 17 August 2022 21:37)

    Sehr gelungene Analyse und Präsentation. 24mm sind in den Jahren oft nicht überzeugend im Fernbereich - umso spannender Deine Untersuchung des Nahbereichs. Mir gefällt‘s.