Porst Tele X-M 200mm f3.5 GMC

 

Das Fujica-X-System fand in Deutschland - im Gegensatz zum Rest der Welt - in den 1980er-Jahren einige Verbreitung.

Dies lag weniger an den Original Fuji-Produkten, sondern vor allem an der Tatsache, dass der größte deutsche Fotohändler, Photo Porst,  Kameras und Objektive umgelabelt unter seinem Namen vertrieb.

So gibt es einige Kameras und Objektive im System, viele von Fuji selbst produziert,

aber auch viele Objektive, die für die Handelsmarke Porst von anderen Herstellern produziert wurden.

Zu letzteren gehört das

 

Porst Tele X-M 200mm f3.5 GMC,

das ich euch hier vorstelle.

 

 

Einige technische Daten zum Objektiv:

 

Blende: von f3.5 bis f22, in ganzen Stufen rastend, 6 Blendenlamellen

Naheinstellgrenze: 2,8m (mit Helicoid ca. 1,8m)

Filterdurchmesser: 58mm

Gewicht: 540g

 

Hier einige Bilder des Objektives:

 

 

Adaptiert an die Testkameras Sony Alpha 7RIII bzw. 7III habe ich das Objektiv mit einem von einem Fotokollegen gebauten Helicoid-Adapter.

Dieser besteht aus einem abgedrehten Fujica-X auf Sony-Adapter (der den Pin zur Blendenbetätigung hat), einem M42-Helicoid und einem Slim-M42 auf Sony-E-Mount-Adapter.

 

Im nicht ausgedrehten Zustand ist so problemlos unendlich möglich,

und ausgedreht kann man die Naheinstellgrenze des Objektives deutlich verkürzen:

 

 

Adaptiert an die Sony Alpha 7RIII / 7III ergibt sich eine frontlastige Kombination, was jedoch für eine Tele-Brennweite normal ist. Auffällig ist der schmale Objektivdurchmesser.

 

Die Haptik und Optik des Objektives sind 1980er-Jahre typisch. Bis auf die gummierten Teile ist es komplett aus Metall und Glas gefertigt, der Fokusring dreht auch nach knapp 40 Jahren noch weich und gleichmäßig. Der Blendenring klickt mit angenehmem Widerstand in seine Rastpositionen.

 

Hier einige Bilder der Kamera-Objektiv-Kombination:

 

 

Praktisch ist auch die ausziehbare Gegenlichtblende - leider ist sie deutlich zu kurz , um einen effektiven Schutz vor Streulicht zu bieten:

 

 

Statt die eingebaute ausziehbare Streulichtblende zu benutzen, habe ich folgende Kombination bevorzugt:

58mm-Tele-Metalleinschraubblende, dann einen Step-Up-Ring 62 auf 67mm und darin eingeschraubt eine 67mm-Tele-Einschraubstreulichtblende.

Diese ca. 9cm haben dann für einen effektiven Schutz vor Streulicht gesorgt, worauf das Objektiv sonst sehr empfindlich reagiert.

 

Bildschärfe

Wie in all meinen Tests beginne ich direkt mit dem für viele wichtigsten Kriterium :

 

Der Bildschärfe.

 

Hierzu habe ich ein Testmotiv gewählt, bei dem sowohl der gewählte Fokuspunkt im Bildzentrum (die Markise des Hauses in der Bildmitte) als auch die rechte obere Bildecke in einer Fokusebene liegen.

 

Da die Bilder im direkten Gegenlicht entstanden sind,

dienen sie nur zur Schärfebeurteilung - die Kontraste also bitte nicht in die Bewertung einbeziehen.

 

Man sieht die auf dem Blendenring aufgedruckten Blendenstufen in der Reihenfolge

f3.5 - f5.6 - f8 - f11 :

 

 

Wir starten bei f3.5 schon auf einem mindestens guten Schärfeniveau.

Bei f5.6 und f8 ist die Schärfe in der Bildmitte ausgezeichnet.

f11 baut beugungsbeding schon deutlich ab.

 

Auch aus den Bildecken habe ich 100%-Vergrößerungen erstellt:

 

 

Auch hier starten wir bei f3.5 bereits auf gutem Niveau.

Bei f5.6 gibt es nur eine leichte Steigerung,

bei f8 erreicht aber auch die Bildecke sehr gutes Niveau.

Beugungsbedingt fällt auch in der Ecke die Schärfe bei f11 wieder ab.

 

Bei allen Blendenwerten sind in der Ecke laterale chromatische Aberrationen sichtbar.

Diese können aber in der Bildbearbeitung per "Häkchen setzen" rückstandsfrei entfernt werden.

 

 

Die Bildschärfe des Porst Tele X-M 200mm f3.5 GMC ist sehr ansprechend.

Bereits ab Offenblende über das komplette Bild gut,

bei f8 ausgezeichnet.

In der Bildmitte ist f5.6 bereits ausgezeichnetscharf, leider fallen hier die Ecken noch etwas ab.

 

Ein Sonnenuntergang im Herbst

Ich hatte das Objektiv schon einige Jahre im Schrank stehen, es aber nie wirklich ernsthaft benutzt.

 

An einem Abend im vergangenen Herbst hatte ich das Porst Tele mal mit zum Drachen steigen lassen.

Es gab einen wunderschönen Sonnenuntergang und das Licht war bis in die blaue Stunde hinein einfach perfekt mit traumhaften Farben.

 

Und das Porst-Tele konnte sich auch gegen die Sonne gut bewähren und hat mir sehr schöne Ergebnisse gebracht.

 

So war ich angenehm von den Bildern überrascht und das hat mich dazu animiert, das Objektiv ausgiebig zu nutzen und zu testen....

 

Verzeichnung

Das Porst Tele X-M verzeichnet leicht kissenförmig.

Im Bedarfsfall wäre dies problemlos zu korrigieren in der Bildbearbeitung.

 

Rendering und Bokeh

Hintergrundrendering

Die Brennweite von 200mm ist in dieser Testdisziplin ein etwas spezieller Fall.

 

Natürlich gibt es bei dieser langen Brennweite immer viele unscharfe Bereiche,

aber es kommt  ja immer auch auf die Qualität der Unschärfe an.

 

Um hier zu überzeugen, muss natürlich neben der Bildschärfe am Fokuspunkt auch das Rendering der unscharfen Bereiche "schön" sein - wobei dieses "schön" sehr stark vom persönlichen Geschmack abhängt.

 

Die Einen bevorzugen möglichst weiches Rendering ohne Reststrukturen, die Anderen lieben ein "busy Bokeh" mit vielen Strukturen - und natürlich gibt es alle möglichen Abstufungen zwischen diesen beiden Extremen.  

 

Die folgenden Bilder sollen helfen, das Porst Tele X-M 200mm f3.5 GMC hier besser einzuordnen.

 

Dazu habe ich am "bekannten" Durchgang eine Blendenreihe f3.5 - f5.6 - f8 -f11 vorbereitet,

die euch die Entwicklung der Hintergrundunschärfe beim Abblenden zeigt:

 

 

Bei Offenblende ist das Hintergrundrendering des Porst auf diese mittlere Disatnz relativ weich - 

jedoch gibt es schon ein etwas "plättchenhaftes" Rendering, die Strukturen werden nicht komplett aufgelöst.

Ab f5.6 und mit weiterem Abblenden werden vermehrt Linien im Hintergrund sichtbar und der Bildeindruck etwas nervös.

 

Die nächsten beiden Bilder meines wiederkehrenden Testmotives auf Nahdistanz zeigen schön, dass die oben genannte Nervosität stark entfernungsabhängig ist. 

Dann hier gibt es nichts zu meckern, die Hintergründe werden schön weich aufgelöst - auch Outlining ist kein Thema:

 

 

Das nächste Testmotiv ist ein kleiner Härtetest - 

Strauch"skelette" im Winter im Hintergrund.

Oftmals ein Outlining-Horror, aber bei Offenblende schafft es das Porst hier gut,

den Hintergrund aufzulösen. Bei f5.6 ist schon deutlich mehr Störendes erkennbar.

 

Rendering auf nahe und mittlere Distanz

 

Insgesamt ist das Rendering auf nahe und mittlere Distanz meist weich und gibt wenig Anlass zur Kritik.

Je weiter entfernt der Fokuspunkt sitzt, desto mehr der Hintergrundstruktur wird erkennbar und die "Flächigkeit" des Renderings nimmt ab.

 

Fokusreihen

Sehr interessant bei einem Teleobjektiv finde ich immer Fokusreihen vom gleichen Standpunkt aus.

Dann anhand dieser Bilder kann man immer sehr schön erkennen und direkt vergleichen, wie sich das Rendering auf verschiedene Distanzen entwickelt.

 

Ich starte mit der folgenden Bankreihe, der Fokus lag auf den in den Bildunterschriften angegebenen Punkten:

 

 

Sehr interessant in den Bank-Bildern finde ich, wie sich die Tiefenstaffelung verändert.

 

Auch in der nächsten Reihe ist das ein sehr interessanter Punkt:

 

 

Bei einem Tele-Objektiv wählt man ja meist weiter entfernt liegende Motive,

eher weniger den Nahbereich.

 

Umso wichtiger ist daher auch, wie die unscharfen Bereiche vor dem Fokuspunkt aufgelöst werden.

 

Zunächst mehrere Beispiele mit extrem nahem und weit entferntem Fokus im Vergleich:

 

 

Dann ein Beispiel im Nahbereich (an der Naheinstellgrenze):

 

 

Und ein Beispiel auf mittlere Distanz und gegen unendlich:

 

Rendering der Unschärfe im Vordergrund

 

Wie sich das "Vordergrundbokeh", also die Unschärfe vor dem Fokuspunkt beim Abblenden verändert, sollen die folgenden Blendenreihen zeigen:

 

 

Das Rendering der Büsche im Vordergrund wird beim Abblenden deutlich nervöser, was nicht nur an der zunehmenden Tiefenschärfe liegt.

 

Bei der folgenden Reihe lag der Fokus auf dem Hochstand in der Senke neben dem Waldrand:

 

 

Auch hier nimmt nicht nur die Schärfe im Vordergrund zu, sondern der nähere Hochstand wird zunehmend "grisselig" dargestellt.

 

Auch hier liegt der Fokus auf dem entfernten "Jägerwagen":

 

 

Es bleibt dabei, die unscharfen Vordergrundbereiche sind eher auf der nervösen Seite, und auch Abblenden schafft hier keine Beruhigung.

 

Rendering auf weitere Distanzen

 

Wie man anhand der vorhergehenden Fokus- und Blendenreihen schon sehen konnte,

ist das Porst auf weite Distanz zwar schön scharf, stellt aber die davor liegenden Bereiche eher nervös dar. Ob dies wirklich störend ist, liegt wie immer im Auge des Betrachters - ich für meinen Teil habe an der Darstellung in den folgenden Bildern wenig auszusetzen:

 

Frühlingserwachen

 

Es ist zwar erst Ende Februar, aber bei uns erwacht die Natur schon und die ersten Blumen und Blüten bahnen sich ihren Weg an die Erdoberfläche.

 

Ich nutze Telebrennweiten sehr gerne für bodennahe Fotos, denn so lassen sich Perspektiven erzeugen, die nicht unseren alltäglichen Sehgewohnheiten entsprechen und deshalb umso interessanter sind.

 

Und auf diese Distanzen in der Nähe der Naheinstellgrenze rendert das Porst sehr schön weich (Achtung: einige Bilder sind durch Gras im Vordergrund durchfotografiert - die Kontrastarmut ist kein Fehler des Objektives!):

 

Farbfehler / Chromatische Aberrationen

Im Kapitel Farbfehler ist das Porst Tele sehr konkurrenzfähig.

 

Die lateralen chromatischen Aberrationen (siehe im Kapitel Bildschärfe bei den Vergrößerungen aus der Bildecke) sind in mittlerem Ausmaß da, allerdings können diese in der Bildbearbeitung mittels "Häkchen setzen" komplett entfernt werden.

 

Etwas anders sieht es bei den longitudinalen chromatischen Aberrationen aus.

 

Zuerst die bekannten Chromringe - jeweils mit einer Vergrößerung vor der Schärfeebene und hinter der Schärfeebene:

 

 

Man sieht an den Chromringen in der Unschärfe vor der Schärfeebene die lila-/magentafarbenen Ränder ebenso wie die grünen Ränder hinter der Schärfeebene..

 

Als absoluten Härtetest habe ich in der prallen Sonne Chromketten fotografiert - hier sieht man jeweils die gleichen oben genannten Fehler und auch in der Fokusebene etwas Purple Fringing - 

dies ist aber ein absolutes Worst Case-Szenario und absichtlich provoziert:

 

 

Nach dieser provozierten Situation etwas aus der Praxis: Ein Astgeflecht vor hellem Himmel.

Auch hier lassen sich sowohl Spuren von Purple Fringing als auch grünem Bokeh-Fringing finden:

 

 

Insgesamt sind Häufigkeit und Ausmaß der Farbfehler ganz normal für ein Tele-Objektiv (vermutlich) ohne Sondergläser.

Ganz im Gegenteil, so manches Markenhersteller-Glas, dass ich schon an der Kamera hatte

(z.B. Olympus OM Zuiko 200mm f4, Minolta MD 200mm f4, Zeiss Super-Dynarex 200mm f4)

schlägt sich in diesem Kapitel vergleichbar oder deutlich schlechter.

Gesichter des Waldes

Bei einem kleinen Spaziergang durch den Wald in die Dämmerung hinein bin ich auf diese Waldgesichter und andere Motive getroffen:

 

Menschen

Ganz ehrlich, 200mm sind für mich keine Brennweite,

mit der ich Portraits mache, sondern eher mal Menschen "aus beobachtender Position" fotografiere.

So habe ich auch mit dem Porst einige Bilder meiner Tochter angefertigt,

der das Fotografieren mit alten manuellen Objektiven auch viel Spaß macht.

 

Die Bilder mit dem Porst haben dabei einen wirklich schönen Schmelz, und scharf genug für "Portraits" ist es bei Offenblende auch.

 

Ein sonniger Wintermorgen

Nachdem ich bisher ja fast ausschließlich Bilder bei trübem Winterwetter zeigen konnte,

hier einige Momente eines wunderbar sonnigen, aber kalten Wintermorgens...

 

Verhalten im Gegenlicht

Dies ist ein Kapitel, in dem man jedes Objektiv schlecht aussehen lassen kann, wenn man es nur weit genug pusht und fordert.

Ich habe beim Porst keine "Testsituationen" extra kreiert, sondern einfach ausgiebig damit fotografiert und "es nicht geschont".

 

Beim Porst Tele 200mm f3.5 GMC ist, wie ich ja schon oben in der Einleitung geschrieben habe, eine deutlich längere Streulichtblende nötig als die eingebaute. Mit der von mir beschriebenen "doppelten Lösung" ist man gut gerüstet gegen seitlichen Lichteinfall und die meisten Streiflichtsituationen.

 

Direkt gegen die Sonne hilft diese Lösung aber natürlich auch nicht weiter - 

je nach Winkel erhält man dann folgendes:

 

 

Und auch gegen die tiefstehende Sonne muss man etwas umsichtig sein bei der Bildkomposition,

die folgenden 3 Bilder demonstrieren etwaige Probleme gut:

 

 

Alles in Allem ist das Porst auch im Gegenlicht mit etwas Umsicht gut nutzbar,

fehlerfrei ist es aber gewiss nicht.

 

Mein Fazit

Das Porst Tele X-M 200mm f3.5 GMC war für mich durchaus eine Überraschung.

Denn um ehrlich zu sein, hatte ich von einem Fremdhersteller-Objektiv der frühen 1980er-Jahre,

bei dem ich noch nicht einmal herausfinden konnte, wer das Objektiv eigentlich gebaut hat, deutlich weniger erwartet.

 

Die Bildschärfe ist ab Offenblende gut über das gesamte Bildfeld, bei f8 sogar ausgezeichnet.

Es mangelt ihm etwas an (Mikro-)Kontrast, und die Farben muss man etwas pushen.

Es ist fast verzeichnungsfrei und auch die Farbfehler halten sich in Grenzen.

 

Nicht so gut gefallen hat mir das nervöse Vordergrundbokeh, denn bei einer Telebrennweite hat man nun einmal häufig unscharfe Bereiche VOR der Schärfeebene. Das Hintergrundbokeh ist weich und ruhig auf nahe Distanz, aber wird auch hier nervöser je weiter entfernt das anfokussierte Ziel ist.

Auch im Thema Gegenlichtverhalten  glänzt das Porst nicht, ist aber auch kein Totalausfall - man muss aber zwingend die Gegenlichtblende ausreichend lang wählen.

Die lange Naheinstellgrenze von 2.80m (die Konkurrenz hat meist 2m) hat sich häufig als störend herausgestellt - denn gerade auf Nahdistanz hat mir das Objektiv eigentlich mit am Besten gefallen.

 

Ein Fremdhersteller-Teleobjektiv, dass sich in vielen Bereichen durchaus auf dem Niveau der vergleichbaren  Markenhersteller-Objektive bewegt.

 

Ob man gezielt danach suchen sollte, ist natürlich eine andere Frage, zumal es die meisten Marken-200mm f4- Objektive auch zu günstigen Preisen gibt.

 

 

 

Ich freue mich im Kommentarfeld unter der abschließenden Bildergalerie auf eure Meinungen und Anregungen zu Objektiv und Test!

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Alex (Samstag, 04 März 2023 01:09)

    Hallo Namenloser ;-),

    wunderbarer Test von dir. Ich dachte Mensch der hat ja gar kein Ende. Man sieht das du viel Arbeit in deinem Blog gesteckt hast und ich glaube ich hab auch noch keinen umfassenderen und schön gestalteten Blog gesehen als deinen. Weiter so. Wo ist der Abo Button? LG Alex ala Crystex

  • #2

    Nikolaus Burgard, Autor (Samstag, 04 März 2023 20:15)

    Hallo Alex,
    vielen Dank für deine lobenden Worte.
    Ja, ich stecke momentan viel Zeit und Aufwand in meinen Blog,
    Ich habe ja, wie du weißt an anderer Stelle schon so viele Objektive vorgestellt -
    und da hole ich hier mal einiges nach und erweitere das.
    Ich habe mir eine gewisse Normierung der Tests hier auferlegt, aber immer kombiniert mit einer großen Anbindung an meine fotografische Praxis.
    Ich finde immer, Bilder sagen mehr als 1000 Worte...